In unseren Tourenbeschreibungen und „Wichtigen Anmerkungen“ zum Tourenverlauf kommen immer wieder verschiedene Begriffe, wie beispielsweise seilversicherter Abschnitt, verblocktes Gelände oder absturzgefährdet vor. Aber was ist eigentlich unter diesen Ausdrücken zu verstehen und was muss ich mir dann unter bestimmten Wegabschnitten genau vorstellen?
Um dies bestmöglich vorab zu klären, geben wir hier einen kurzen Überblick betreffend unterschiedlicher Wegkategorien, Geländeanforderungen und kritischer Abschnitte.
Einfache alpine Bergwege: Fahrwege, Forstwege und Schotter
Die einfachste Kategorie der alpinen Bergwege sind Fahrwege - wie sie einfach überall auf der Welt zu finden sind. Meist führen sie durch Wälder und werden dann Forstwege genannt. Auf vielen Routen gibt es immer wieder derartige Wegabschnitte. Ein Beispiel wäre der Aufstieg zur Martin Busch Hütte auf der Alpenüberquerung E5 Oberstdorf nach Meran. Für solche Wege sind keine besonderen Schuhe oder Kenntnisse erforderlich.
Pfade oder schmale Almwege lassen sich ebenfalls mit einfachen oder nicht unbedingt bergtauglichen Schuhen begehen. Diese Wege können bei Nässe vielleicht rutschig sein, bergen jedoch meist keinerlei Gefahren.
Viele Wege – auch einfache – können mit Schotter und Geröll übersät sein. Forstwege werden häufig bewusst mit Schotter instandgesetzt. Auf schmalen Bergpfaden ist dieser Schotter jedoch nicht befestigt und erfordert schon deutlich besseres Schuhwerk und ein konzentrierteres Gehen. Für viele, die sich zum ersten Mal in die Berge begeben, stellen solche Wegabschnitte eine erste und vielleicht unerwartete Hürde dar. Oft sind diese Abschnitte in steilerem Gelände zu finden und bei jedem Schritt rutscht der Schotter. Viele gehen dann in eine rückwärtsgerichtete Bremsbewegung über, die unter Umständen dazu führt, dass man sich plötzlich „auf den Hintern setzt“. Das gilt es zu vermeiden. Schotter rutscht zwar, allerdings bleibt er nach wenigen Zentimetern wieder liegen. Hier heißt es mit der richtigen Technik flüssig weiterzugehen und nicht auf jeden einzelnen Stein zu schauen. Mit ein wenig Übung gelingt dies denn Allermeisten. Auf dem E5 findet man solche Abschnitte zum Beispiel beim Übergang von der Kemptner Hütte über das Mädelejoch nach Holzgau, oder auch nach der Memminger Hütte auf dem Weg über die Seescharte. Im Aufstieg sind diese Wege für viele von Beginn an gut zu meistern. Im Abstieg braucht es jedoch deutlich mehr Konzentration. Gutes Schuhwerk mit entsprechender Sohle ist Voraussetzung für ein sicheres und entspanntes Begehen dieser Wege.
Ganz allgemein gilt, dass so gut wie jeder Weg im trockenen Zustand einfacher zu begehen ist als bei Nässe oder gar Glätte und dann somit deutlich kritischer zu betrachten ist.
Verblocktes Gelände
Verblockte Abschnitte finden sich insbesondere im hochalpinen Bereich wieder. In Höhenlagen unter 2.000 m sind diese dagegen kaum anzutreffen. Große, lose, natürlich übereinander geschichtete Steine und Felsbrocken müssen dabei oft im weglosen (allerdings meist markierten) Gelände überwunden werden. Oft liegen Steine, die nur wenige Kilogramm wiegen, gemischt mit tonnenschweren Felsbrocken im Gelände. Meist sind diese Gesteinsbrocken fest miteinander verkeilt. Teilweise können sie aber auch sehr locker sein. Ab und an passiert es, dass sehr schwere Brocken beim darauf treten kippen, ohne dass diese verrutschen. Es gilt hier eine vorsichtige Herangehensweise. Mit ein wenig Erfahrung wird es immer leichter diese Stellen zu begehen. Sinnvoll ist es, bei langen Abschnitten die Stöcke in eine Hand zu nehmen oder noch besser, diese am Rucksack zu befestigen. Stöcke finden in verblocktem Gelände auf Steinen keinen Halt.
Im Aufstieg sind diese Abschnitte größtenteils deutlich leichter zu begehen als im Abstieg. Selbst bei Regen sind Steine und Felsbrocken im verblockten Gelände oft noch einigermaßen griffig. Vorsicht ist aber geboten, wenn Felsen mit Algen oder andere Pflanzen bewachsen sind. Dann können diese sehr glatt und rutschig sein. Auf beispielsweise der Alpenüberquerung von Oberstdorf nach Meran findet man verblocktes Gelände im Bereich der Braunschweiger Hütte oder der Similaunhütte.
Seilversicherte Abschnitte
Seilversicherte Bereiche finden sich auf sehr vielen alpinen Wanderungen. Diese seilversicherten Wege werden oft mit Klettersteigen verwechselt. Bei Klettersteigen handelt es sich jedoch bewusst um künstlich angelegte Wege, die ohne spezielle Sicherungen kaum begangen, sondern erklettert werden müssten.
Seilversicherungen dienen meist einfach dazu, schwierige Abschnitte etwas leichter zu gestalten. Sie finden sich sowohl an sehr anspruchsvollen Wegen im Hochgebirge oder auch zum Beispiel auf dem recht breiten Zustieg zur Kemptner Hütte. Seilversicherungen werden zwar regelmäßig bezüglich ihrer Qualität überprüft, ihnen blindlings zu vertrauen, können wir jedoch nicht empfehlen. Vor jeder Seilnutzung empfehlen wir daher eine kurze Kontrolle der Befestigung.
Ausgesetzte und absturzgefährdete Stellen
Zwischen den Begriffen „ausgesetzt“ und „absturzgefährdet“ ist der Übergang, wie bei allen anderen Wegkategorien, fließend. Auf jeden Fall handelt es sich hier um sehr anspruchsvolle Wegabschnitte. Ein Ausrutschen oder Stolpern gilt es in jedem Fall zu verhindern, da es unter Umständen verheerende Folgen nach sich ziehen kann. Eine hohe Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind unbedingt erforderlich. Kurze Passagen lassen sich mit Hilfe eines erfahrenen Guides meist gut überbrücken. Längere Abschnitte muss jeder für sich selbst gehen können, hier muss die eigene Trittsicherheit und Schwindelfreiheit tadellos sein. Beim klassischen E5 finden sich ebenfalls solche Stellen – wenn auch kurze (Übergang vom Pitztal ins Ötztal). Bei unserer E5 Variante mit Besteigung des Similaun finden sich ausgesetzte und absturzgefährdete Stellen jedoch etwas häufiger.
Bachquerungen
Sollte ein Bach überquert werden müssen, stellt das normalerweise keine große Gefahr dar – auch wenn es manche als großes Hindernis ansehen. Ausnahme wäre eine starke Strömung bzw. ein sehr hoher Wasserdruck. Die Gefahr an sich sind wir hier oft selbst, da viele versuchen, zwingend trockenen Fußes auf die andere Seite zu gelangen. Sofern evtl. nasse Füße kein Problem darstellen, sind Bachquerungen daher oft recht einfach zu meistern. Stöcke können zudem zur Stabilisierung genutzt werden. Dennoch gilt, wenn möglich Bäche meiden und einen kleinen Umweg in Kauf nehmen. Zudem können vor allem im Frühjahr und im Herbst die Steine im Bach, besonders in der Früh, mit einem dünnen Eisfilm überzogen sein.
Schnee- und Schneefelder
Zum Schluss möchten wir noch auf das Thema Schnee bzw. Schneefelder im Sommer eingehen. Viele denken im September / Oktober muss in den Bergen bereits mit heftigen Wintereinbrüchen gerechnet werden und stehen diesen Monaten deshalb kritisch gegenüber. Im Gegenzug werden Juni / Juli meist als eher unkritisch angesehen. In den meisten Jahren wird umgekehrt ein Schuh draus. Grundsätzlich sind Wintereinbrüche in den Bergen in jedem Monat denkbar. Logischerweise nehmen sie im September und Oktober jedoch zu. Eine hohe Gewittergefahr ist im Hochsommer jedoch deutlich eher zu bedenken als die Gefahr eines frühen Wintereinbruchs im Herbst. Nach schneereichen Wintern finden wir oft den ganzen Sommer über noch Schneefelder auf unseren Touren vor. Wenn es Ende Juni dann im Tal 30 °C hat, liegt selbst in den nicht allzu hohen Allgäuer Alpen nordseitig oft noch Schnee. Und diese Schneefelder haben ihre Tücken. Am Morgen können diese bei klaren Nächten trotz Plusgraden hart gefroren sein. Es besteht eine akute Abrutsch-/ Absturzgefahr. Hier sollten alte Spuren genutzt bzw. mit Schuhspitze und Schuhrand selbst griffige Spuren angelegt werden. Ein erfahrener Bergwanderführer wird Euch hier immer helfen und auf mögliche Gefahren direkt hinweisen. Der Einsatz von Stöcken ist absolut ratsam! Auch Grödel können sehr hilfreich sein.
Zu beachten ist auch, ob diese harten Schneefelder schräg oder im Aufstieg begangen werden. Gerade Querungen können heikel sein. Die gleichen Schneefelder sind im weichen Zustand deutlich unkritischer. Zu beachten sind bei flachen Schneefeldern die Randbereiche. Diese brechen oft ein – häufig kann es dabei ungewollt und unerwartet 50 cm oder mehr nach unten gehen.
Sonderfälle: Schneebrücken und kombiniertes Gelände
Schneebrücken bilden sich häufig nach schneereichen Wintern. Diese werden vom Schmelzwasser unterhöhlt und können daher sehr stabil, allerdings auch extrem instabil sein. Auf Alpenüberquerungen (beispielsweise im Zustieg zur Kemptner Hütte auf dem Weg von Oberstdorf nach Südtirol) sind diese im Juni immer wieder mal zu finden. Hier müssen sie dann nicht überquert, sondern unterquert werden. Ohne ausreichende Erfahrung geht hier nichts, da dies eine durchaus heikle Stelle auf einer Tour darstellen kann.
Beim Betreten der Schneebrücken ist, wie bei anderen Schneefeldern auch, gerade der Randbereich mit besonderer Vorsicht zu behandeln. Dieser bricht sehr leicht ein.
Kombiniertes Gelände findet sich beim Übergang vom Fels zum Eis bzw. umgekehrt. Hier heißt es die Steigeisen sowohl auf dem Eis / hartgefrorenen Schnee als auch auf dem Fels zu beherrschen. Ein breitbeiniges ruhiges Gehen schützt nicht nur das Bein, sondern auch die Hose.
Zum Abschluss noch ein Bild für alle, die sich kaum vorstellen können, welche Verhältnisse im Sommer vorherrschen können. Diese Schneemenge haben wir am 05.07.2014 ca. 45 km nördlich von Monaco auf knapp 2.000 m Höhe vorgefunden (siehe unten). Sicherlich sind solche Schneemengen nicht alltäglich. Das Bild zeigt uns jedoch auf, mit welchen Dingen wir im Extremfall rechnen müssen. In den Zentralalpen, in denen wir uns die meiste Zeit bewegen, sind große Schneefelder oft bis in den August keine Seltenheit. Beispielsweise können wir hier den Anstieg über die Seescharte auf dem E5 von Oberstdorf nach Meran nennen, oder auf dem gleichen Weg die Abschnitte oberhalb der Braunschweiger Hütte. Bei der Tour vom Königssee zu den Drei Zinnen sind große Schneefelder oft beim Zustieg zur Oberen Pfandlscharte und bei der Hüttentour vom Allgäu ins Vinschgau beim Übergang von der Heidelberger Hütte ins Unterengadin zu finden.