Muss ich Angst beim Wandern vor Kühen haben und sind Herdenschutzhunde gefährlich?
Jeden Frühsommer präsentiert sich das gleiche Bild. Nach einem langen Winter kommt das Vieh wieder zurück auf die oft hochgelegenen Almwiesen. Gleichzeitig zieht es immer mehr Freizeitsportler in dieselben Gebiete. Oft trifft der Wanderer dabei auf Kühe, Schafe und Ziegen, typische Nutztiere in den Bergen. Pferde, Hirtenhunde, Herdenschutzhunde und Co sind bereits deutliche seltener anzutreffen. Je nach Region kann auch mal eine große Eselherde dabei sein. Die Frage ist, kann uns einer dieser tierischen Kandidaten tatsächlich gefährlich werden bzw. gibt es sie wirklich, die „wilde Kuh“? Wir klären auf und schildern gerade bei den Herdenschutzhunden sehr umfangreich und detailliert – da es sich oft um vermeintlich ganz normale Hunde handelt – wie Du Dich diesen gegenüber verhalten solltest.
Tipps zur Begegnung mit Wildtieren wie Bären und Wölfen haben wir hier für dich gesammelt: Tierbegegnungen Wildtiere
Rinder bzw. Kühe: Folgendes solltest Du bei Begegnungen mit Kühen wissen & beachten
Immer wieder hören und lesen wir von Kühen, die Wanderer angegriffen haben. Gibt es so was? Die eindeutige Antwort ist: Ja. Es kommt immer wieder zu kritischen Begegnungen mit Kühen oder Rindern beim Wandern. Dennoch ist dies sehr selten. Ein paar Hinweise, wie du dich im Fall der Fälle richtig verhalten kannst, möchten wir dir dennoch mit auf den (Wander-)Weg geben.
Richtiges Verhalten bei Begegnungen mit Kühen
Kühe sind keine Schoßhunde sondern große Nutztiere. Halte wenn möglich etwas Abstand und mach einen Bogen um die Tiere. Wenn die Kühe tatsächlich mal zu nahekommen, Ruhe bewahren und der Kuh zur Abschreckung evtl. mit dem Stock leicht auf die Schnauze hauen. Ansonsten gilt auch hier dasselbe wie bei Wildtieren: Zieh Dich langsam zurück, ohne sie direkt anzustarren und dreh dabei den Tieren nicht den Rücken zu. Bitte beachte auch, dass bei einer Mutterkuhhaltung die Kühe ihre Kälber verteidigen. Bitte halte Abstand und auch wenn es vielleicht schwerfällt, Streicheln ist praktisch tabu, egal wie süß Kühe und vor allem Kälber wirken. Ruhig und bedächtig wandern bzw. das Mountainbike schieben ist besser als zu rennen oder durchzuradeln. Lärm solltest Du ebenso vermeiden, sowie das Annähern von vorne, denn das Blickfeld der Rinder geht eher zur Seite. Wenn du plötzlich "aus dem Nichts" vor ihnen stehst, kann die Kuh überrascht werden und entsprechend reagieren.
Hunde an die Leine
Die wohl meisten kritischen Situationen entstehen im Beisein von Hunden. Freilaufende Hunde werden von Rindern aufgrund ihres eingeschränkten Sehvermögens fixiert. Nach kurzer Zeit bewegen sich diese oft langsam auf den Hund zu. Sollte eine Kuh zu rennen beginnen, nimmst Du Deinen vielleicht kleinen Hund hoch. Dies ist jedoch das falsche Verhalten und kann gefährlich werden. Für die Kuh stellst Du selbst keine Gefahr dar, jedoch aus ihrer Sicht Dein Hund. Nimmst Du ihn also hoch, kann es sein, dass sie Dich, anstelle des Hundes attackiert. Sollte sich die Querung einer Herde nicht vermeiden lassen, gilt daher folgende Regel: Nimm den Hund zunächst an die Leine. Bei Gefahr, also bei angreifenden Kühen, den Hund loslassen. Der Hund entkommt den Kühen und die Gefahr ist gebannt.
Jungtiere
Jungtiere sind oft sehr neugierig und verspielt. Sie rennen und toben gerade in den ersten Tagen auf der Alm kreuz und quer durch die Gegend und genießen ihre Freiheit. Letztlich wollen sie nur spielen. Kritisch ist jedoch, dass Dein Spielgefährte locker mal 200 kg auf die Waage bringt und ihm dies natürlich nicht bewusst ist. Grundsätzlich gilt also auch hier, genügend Abstand zu halten um Unfälle oder unbeabsichtigte Zwischenfälle zu vermeiden.
Bullen
Falls Du nun Angst vor einem tonnenschweren Bullen haben solltest, keine Sorge, diese ist absolut unbegründet. Auf unsere Touren – egal ob bei einer klassischen Hüttentour oder eine Alpenüberquerung – ist uns noch nie ein Bulle begegnet. Diese bleiben zur Sicherheit nämlich im Stall.
Begegnungen mit Schafen & Ziegen beim Wandern
Von Schafen und Ziegen geht grundsätzlich keine Gefahr aus. Wenn, dann noch eher von den Böcken. Aber auch diese "Gefahr" hält sich in Grenzen. In seltenen Fällen trifft man mal auf einen aggressiven Bock. Diesem solltest Du dann aus dem Weg gehen und keinesfalls versuchen, ihn an den Hörnern oder am Kopf zu packen. Auch hier gilt: Ruhe und Abstand sind der Schlüssel. Da aggressive Böcke auf Almen jedoch nichts zu suchen habeN, ist es hilfreich, einen solchen Vorfall zu melden (z.B. auf der nächsten Hütte oder im Tal). Dann ist die Gefahr für die nachfolgenden gebannt.
Hirtenhunde
Hirtenhunde kennen bereits viele von uns. Es sind die Hunde die, oft völlig nervös scheinend, auf- und abrennen und die Herde (insbesondere Schafherden) im Zaum halten und diese in die vom Hirten gewünschte Richtung treiben. Sie wirken oft verspielt, sind in aller Regel friedlich und gehorchen dem Hirten normalerweise aufs Wort. Streicheln ist nach Rücksprache mit den Besitzern manchmal möglich. Eine wirkliche Gefahr geht von ihnen nicht aus, da sie meist in Begleitung eines Hirten und "on the job" sind.
Herdenschutzhunde
Herdenschutzhunde sind im Gegensatz zu Hirtenhunden nicht bereits vom Weitem zu hören oder zu sehen. Sie liegen oft recht unbemerkt dösend in der Sonne und bewachen die Herden (meist Schafe und Rinder). Häufig entspricht ihre Fellfarbe der Farbe des Viehs, das sie bewachen. Oft sind sie weiß wie Schafe und so auf den ersten Blick nicht von den anderen Tieren zu unterscheiden. Ihre Aufgabe ist es, die Herde gegen möglich Gefahren zu verteidigen. Und sie verteidigen die Herde gegen alles, was aus ihrer Sicht dazugehört, auch eindringende Wanderer die der Herde zu Nahe kommen. Trainiert werden sie, um gegen Wölfe, Bären und andere Raubtiere vorzugehen – Menschen mögen sie jedoch auch nicht besonders.
Herdenschutzhunde wirken durch ihr Gebaren und durch ihre Größe oft furchteinflößend, sind aber nicht darauf trainiert Menschen anzugreifen. Mit unseren „Haushunden“ sollten wir sie dennoch auf keinen Fall verwechseln. Sobald wir in ihr Revier eindringen, kommen Sie laut bellend und häufig mit dem Schwanz wedelnd auf uns zu gerannt. Mit ihrem Gebell wollen sie uns vertreiben und die Herde schützen. Folglich laufen sie uns so lange und zum Teil sehr dicht und bellend hinterher, bis wir wieder genügend Abstand zum Revier der Nutztiere halten. Dieses Gefühl kann äußerst unangenehm sein. Das Beste ist es daher, eine Herde zu umgehen, sich ruhig zu verhalten und gewisse Verhaltensregeln zu beherzigen.
Tipps zum richtigen Verhalten für Begegnungen mit Herdenschutzhunden
- Hinweistafeln beachten und ernst nehmen.
- Die Hunde nicht überraschen und aufscheuchen, sondern durch lautes Reden auf Dich aufmerksam machen.
- Wenn Hirten vor Ort sind, diese auf Dich aufmerksam machen.
- Evtl. die Richtung wechseln und die Herde umgehen.
- Ruhig verhalten, wenn Herdenschutzhunde bellend auf Dich zu laufen.
- Die Hunde nicht mit Stöcken oder ähnlichem provozieren oder anschreien.
- Nicht streicheln oder mit "Leckerli" ködern.
- Wenn der Hund Deine Anwesenheit akzeptiert, den Weg langsam fortsetzen.
- Sollte sich der Hund nicht beruhigen, Rückwärtsgehen (Augenkontakt vermeiden) und größere Distanz zur Herde aufbauen.
- Wenn Du einen eigenen Hund dabei hast und überraschend in ein Herdenschutzgebiet kommst: eigenen Hund an die Leine nehmen und die Herde weitläufig(!) umgehen. Mit Hund nicht versuchen durch die Herde zu gehen.
Esel und Pferde
Herden von Pferden und Esel sind relativ selten in den Alpen. Eine wirkliche Gefahr geht von ihnen nicht aus. Du solltest nicht gerade, sondern eher von der Seite, in wechselnden Richtungen, auf sie zugehen und ihnen nicht in die Augen schauen. Langsam und ruhig sprechen und Selbstsicherheit ausstrahlen, das wirkt grundsätzlich beruhigend. Aber auch hier gilt, wenn möglich die Herde umgehen und Abstand halten, Hunde an die Leine nehmen.
Verbreitung und Zusammenfassung
Rinder (Kühe) und Schafe finden sich alpenweit sehr häufig. Auf einer Alpenüberquerung werden wir mit Sicherheit mehreren Herden begegnen.
Auch Pferde können wir überall antreffen. Sie sind wie Esel eher in den Südalpen zu finden - insbesondere bei Hüttentouren im norditalienischen Piemont oder in Friaul-Julisch Venetien, in der Lombardei oder im Aostatal.
Hirtenhunde finden wir am ehesten dort, wo es auch Herdenschutzhunde gibt. Beim Wandern in Österreich, auf dem E5 von Oberstdorf nach Meran oder einer anderen Alpenüberquerung in den Ostalpen wirst du beide Arten aber vermutlich nicht antreffen. In der Schweiz und in Norditalien sind sie jedoch immer wieder mal, wenn auch selten, zugegen. Allerdings werden sie seit der Rückkehr von Wolf und Bär dort und auch anderswo immer häufiger zum Schutz der Herden eingesetzt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass unangenehme Begegnungen mit Mutterkühen, zu der am häufigst auftretenden "Gefahr" zählt. Häufig ist jedoch relativ und dass tatsächlich etwas passiert, ist nach wie vor sehr selten. Solange wir uns richtig verhalten, ist eine Angst vor freilebenden Tieren auf Wanderungen unbegründet.